Das CFS in den Medien

29.10.2019

Markt und Staat in Zeiten der Pandemie – Standpunkt von Otmar Issing

Kaum hat der Markt seine Leistungsfähigkeit bewiesen, kommt die Forderung, den Impfstoff zum „öffentlichen Gut“ zu erklären.

Für Vertreter aus dem linken Spektrum hat die Pandemie den Beweis geliefert: Der Markt hat versagt. Weder standen zu Beginn auch nur annähernd genug Atemschutzmasken zur Verfügung noch ist rechtzeitig die ausreichende Versorgung mit Impfstoff gesichert.

Diese Position stellt die Dinge in geradezu grotesker Weise auf den Kopf. Vorsorge für den Fall des Ausbruchs einer Pandemie, vor der die Weltgesundheitsorganisation schon seit Langem eindrücklich gewarnt hatte, fällt eindeutig in die Verantwortung des Staates. Kaum wurde der Mangel an Masken beklagt, richteten sich die Märkte in unglaublicher Schnelligkeit auf die neue Situation ein. Zahlreiche Firmen stellten ihre Produktion um. Statt Hemden oder anderen Textilien wurden Masken produziert. Selbst eine große Anzahl Privater trug dazu bei, das Angebot zu erhöhen.

Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das neue Virus muss man zu den eindrucksvollsten Beweisen für die Leistungsfähigkeit des Marktes zählen. Wer hätte schon damit gerechnet, dass dieser Erfolg derart rasch gelingen könnte? Wie war das möglich? Die Geschichte der beiden Forscher an der Spitze der Firma Biontech kann als Lehrbeispiel dienen. In einem Interview erklärte das Ehepaar, wie sie zu Beginn der Pandemie beim Frühstück auf die Idee kamen und beschlossen, ihre auf die Krebsbekämpfung ausgerichtete bisherige Forschung ab sofort auf die Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus zu konzentrieren. Weltweit haben Firmen in vergleichbarer Weise auf den Ausbruch der Pandemie reagiert. Damit begann ein globaler Wettlauf, ein Mittel gegen eine Gefahr zu finden, welche die ganze Menschheit bedroht.

Welch schlagenderen Beweis könnte man für die These Hayeks vom Markt als Entdeckungsverfahren finden? Um sich an diesem Wettbewerb auf der Suche nach einer Lösung zu beteiligen, war ein hoher Kapitaleinsatz nötig. Das Risiko eines Misslingens war riesig, im Falle des Scheiterns drohten hohe Verluste, das eingesetzte Kapital wäre verloren. Es bedarf unternehmerischen Mutes, das Risiko gegen die Chance eines Erfolgs abzuwägen. Genau das geschieht in einer dynamischen Marktwirtschaft.

Moral und Moralismus

Kaum hat die Marktwirtschaft aber ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt, kommt die Forderung, den neuen Impfstoff zum „öffentlichen Gut“ zu erklären, ihn „nicht als durch Patente geschütztes Eigentum und als Ware, mit der man Gewinne realisieren kann, zu behandeln“. Das ist nur ein Beispiel für eine weitverbreitete Position. Ist es danach nicht geradezu unanständig, mit einem für die ganze Menschheit extrem wichtigen Produkt Geld verdienen zu wollen? Prinzipien der Gerechtigkeit und Solidarität verlangen auch, den Impfstoff weltweit auch den armen Ländern zugänglich zu machen. Diese Forderung verdient Respekt, doch wenn es nicht dazu kommt, versagt die Staatengemeinschaft, deren Verpflichtung es wäre, diese öffentliche Aufgabe zu erfüllen.

Dem Markt hier Versagen vorzuwerfen, zeugt von ideologischer Voreingenommenheit oder zumindest Unverständnis gegenüber ökonomischen Prozessen. Der ethische Vorbehalt gegenüber dem Markt steht auf tönernen Füßen. Ohne die Effizienz des marktwirtschaftlichen Entdeckungsverfahrens gäbe es den Impfstoff gar nicht oder zumindest jetzt noch nicht und nicht in der trotz aller Kritik schon riesigen Menge.

Man kann die Verfügbarkeit eines Gutes nicht vom vorangegangenen privat organisierten Innovationsprozess trennen. Dabei sei nicht verschwiegen, dass die Staaten mit Abnahmegarantien das privatwirtschaftliche Risiko verringert, aber nicht beseitigt haben. Der Argumentation auf dem hohen Ross der Ethik muss man diese Aussage Joseph Ratzingers (noch als Kardinal) entgegenhalten: „Eine Moral, die die Sachkenntnis der Wirtschaftsgesetze überspringen zu können meint, ist nicht Moral, sondern Moralismus, also das Gegenteil von Moral.“

Noch ein Wort zur angeblich überlegenen Rolle des Staates. Auch wenn die großen Schwierigkeiten der Logistik beim Verteilen des Impfstoffs nicht zu unterschätzen sind – die teilweise grotesken Pannen der öffentlichen Administration sprechen wohl nicht gerade für die Effizienz staatlichen Handels.

Man darf darauf vertrauen, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in bewährter Manier der Mär vom Marktversagen Vorschub leisten werden. Es kündigt sich weiter jetzt schon an, dass die Forderung nach einer höheren Besteuerung der Unternehmen und insbesondere der „Pandemiegewinner“ im kommenden Wahlkampf eine nicht unwichtige Rolle spielen wird. Ob man mit derart innovationsfeindlichen Botschaften Kapitalgeber im Inland und Ausland veranlasst, in Deutschland zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen?


Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Sabine Kimmel
Center for Financial Studies
House of Finance
Goethe-Universität Frankfurt
E-Mail: kimmel(at)ifk-cfs.de

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